Seelenfutter: Die gute alte Zeit
Häufig schwärmt man von der «guten alten Zeit». Dabei leben wir heute in einer aufregenden Zeit voller Chancen. Lasst uns den Blick nach vorne richten und die Möglichkeiten nutzen, die uns das Leben bietet.
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Neulich erzählte mir eine Mittvierzigerin, dass es in ihrer Kindheit viel besser war als heute, dass sie zwar weniger hatten, aber trotzdem zufrieden waren. Das karge Sackgeld habe sie immer mit dem Vorwurf bekommen, dass es früher keines gab. Und heute würden die Schüler und Schülerinnen ihr Sackgeld am Kiosk gleich «nötchenweise» verjubeln. Dabei vergisst sie, dass der Fünfliber, den sie einst selbst verprasste, inflationsbereinigt nicht weniger war. Über alles gesehen gehe es uns einfach zu gut, meinte sie.
Ich zerbreche mir schon lange den Kopf darüber, warum Leute denken, dass es früher besser war und dass es uns besser gehen würde, wenn es uns schlechter ginge. Vermutlich hat das mit Vertrautheit zu tun. Das, was wir kennen, die Vergangenheit, auch wenn sie objektiv nicht besser war, ist uns vertraut. Hingegen haben wir keine Ahnung, wohin sich die Gegenwart bewegt und was uns die Zukunft bringen wird. Also wenden wir uns dem zu, was wir kennen, und erheben es zum Besseren. Wer aber im Gestern das Bessere sieht, erlebt im Heute einen Mangel. Und tschüss Zufriedenheit.
Auch wenn man sich manchmal wie in einem Irrenhaus vorkommt, in dem sich Blinde und Taube von Verrückten führen lassen, wage ich zu behaupten, dass wir in einer chancenreichen und guten Zeit leben. Noch nie zuvor hatte der einzelne Mensch so viele Chancen und Möglichkeiten, sein Leben selbst zu gestalten. Noch nie zuvor waren wir so mobil. Noch nie zuvor hatten wir so viel Freizeit. Noch nie zuvor durften sich Menschen an einem so langen Leben erfreuen und relativ gesund sterben. Noch nie zuvor ging es uns insgesamt so gut wie heute. Nein, die gute alte Zeit gab es nie. Wir sollten sie endlich in Frieden ruhen lassen und den Blick nach vorne richten, in der Gewissheit, dass es im Leben – egal, was passieren mag – immer weitergeht. Nach vorne.
Ihr Beat Brülhart
«Noch nie zuvor hatte der einzelne Mensch so viele Chancen und Möglichkeiten, sein Leben selbst zu gestalten.»
Beat Brülhart
