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Worauf bei Gebäudemodernisierungen besonders geachtet werden muss

Worauf bei Gebäudemodernisierungen besonders geachtet werden muss

Luftdichtheit im Dachbereich bei Gebäudemodernisierung ist entscheidend für Schutz vor Feuchteschäden, Energieverlusten und komfortablem Raumklima.

Technik

Text und Interview: Isabel Morollón | Foto: wissenwiki.de

Bei allen Massnahmen an der Gebäudehülle ist auf eine luftdichte Ausführung zu achten, das heisst es gibt Vorschriften, Richtlinien, Merkblätter und Ähnliche. Gerade bei einer Gebäudemodernisierung oder einem nachträglichen Ausbau von Dächern sind dies anspruchsvolle Arbeiten. Oft kommt es in der Praxis vor, dass dies zu wenig beachtet wird, was schwerwiegende Folgen für die gesamte Konstruktion haben kann. Daher ist es wichtig, auf dem Weg zur luftdichten Gebäudehülle keine kostengünstigen Einsparungen in Kauf zu nehmen. Angesichts eines möglichen hohen Schadenspotenzials wäre dies am falschen Ort gespart.

Konvektion und Diffusion.

»Worauf muss geachtet werden, ­damit die Luftdichtheit im Dachbereich gewährleistet ist?

Die Luftdichtheit ist von entscheidender Bedeutung, um Feuchteschäden, Energieverluste zu minimieren und ein komfortables Raumklima zu gewährleisten. Klassisch wird Luftdichtung als Dampfbremse warmseitig der Wärmedämmung verlegt. Dies kann mit Folien oder auch mit Plattenwerkstoffen erfolgen. Bei Platten, zum Beispiel DSP oder OSP, ist der Wasserdampfdiffusionswiderstand (sd-Wert) meist nicht ausgewiesen, was bei kritischen Konstruktionen zu Problemen führen kann, da falsche Werte angenommen werden. Die Luftdichtheit kann bei Modernisierungen auch zwischen der Wärmedämmung verlegt werden. Dies wird in der Regel mit einer Folie mit einem tiefen sd-Wert umgesetzt. Es ist wichtig, dass die Wärmedämmung über der Folie richtig dimensioniert ist. Zu wenig, aber auch zu viel kann eine solche Konstruktion zum Versagen bringen. Das Gleiche gilt auch bei den ­Anschlüssen.

»Warum sind gerade ausgebaute ­Steil­dächer ein Hotspot, wenn es um ­Bauschäden als Folge von Luftdichtheits­fehlern geht?

Hier muss ich ein bisschen ausholen. Es ist wichtig, dass man die Begriffe Diffusion und Konvektion kennt: Diffusion: Aufgrund der Wasserdampfdruckdifferenz zwischen innen und aussen wandern die Moleküle durch die luftdichte Schicht, zum Beispiel Dampfbremse. Konvektion: Luft in Form einer Strömung bewegt sich durch den Temperaturunterschied. Dies kann in einem Hohlraum geschehen oder durch eine nicht abgeklebte Fuge in der Luftdichtheitsschicht. Eine zu hohe Diffusion kommt meist mit der falschen Wahl der Luftdichtheitsschicht oder Dampfbremse. Ein stetiges Auffeuchten der Konstruktion kann die Folge sein. Eine zu hohe Konvektion kann durch schlecht geklebte Anschlüsse kommen. Durch Konvektion können mehrere 100 Gramm Feuchtigkeit pro Tag in eine Konstruktion gelangen, wohingegen eine Diffusion je nach sd-Wert wenige Gramm Feuchtigkeit zulässt. Das Problem bei einer Gebäudemodernisierung können daher schlecht abgedichtete Anschlüsse sein oder nicht abgeklebte Durchdringungen, welche mit einem direkten Luftstrom Feuchtigkeit in die Konstruktion bringen und dort zu Flüssigkeit kondensieren können. Wenn die Folgeschichten wie beispielsweise das Unterdach einen hohen sd-Wert haben, so könnte auch die Flankendiffusion eine Rolle spielen. Diese kommt zustande, wenn die Dampfbremse sauber an ein Mauerwerk angeschlossen wird, aber das Mauerwerk selbst einen sehr tiefen sd-Wert hat und die Feuchtigkeit über das Mauerwerk in die Konstruktion gelangt und sich dort anreichert.

»Warum sind vor allem die bauphysikalischen Vorgänge bei Gebäudemodernisierungen ein Thema? Bei Neubauten läuft es doch genauso ab.

Bei einer Gebäudemodernisierung können die Anschlüsse oft nicht so einfach ausgeführt werden wie in einem Neubau. Oft sind die nötigen Bereiche für einen sauberen Anschluss verschmutzt und schwer oder gar nicht zugänglich. Trotzdem sollten immer Lösungen gesucht werden, denn Feuchteschäden sind kostenintensive Schäden.

»Worauf kommt es besonders an, damit dauerhafte Luftdichtheit bei Dacherneuerungen gelingt?

Zum einen muss sauber gearbeitet werden. Keine Hohlräume in der Wärme­dämmung, alle Schichten mit qualitativ hochwertigen Materialien auf richtig vorbehandelten Untergründen anschliessen. Zum anderen macht die Wahl der Produkte auch einen grossen Unterschied. Eine alte Regel besagt, dass die Schichten gegen aussen immer dampfdiffusionsoffener sein sollen. Dies ist mit den neuen Dampfbremsen nicht mehr in jedem Fall richtig, denn das Austrocknen gegen innen im Sommer ist eine grosse Sicherheit. Damit die saubere Arbeit auch überprüft werden kann, wäre ein Blower-Door-Test ein gutes Prüfverfahren. Mittels Ventilator werden im ­Gebäude ein Unterdruck oder Überdruck erzeugt und die Luftleckagen gemessen. Was für ein gutes Gelingen einer Dachkonstruktion ebenfalls beachtet werden muss, ist die Bauphase. Sollte viel Feuchtigkeit während eines Umbaus entstehen, etwa durch einen Estrich (Unterlagsboden), Gipserarbeiten oder sogar einen Wasserschaden, so muss die Feuchtigkeit durch Lüften oder Trocknungsgeräte beseitigt werden. Sollte zu viel Feuchtigkeit in der Bauphase in das Gebäude gelangen, so kann es sein, dass das Austrocknen zu langsam abläuft und so bereits ein Schimmelbefall entsteht oder sogar Holzbauteile sich zu zersetzen beginnen.

»Seit einigen Jahren gibt es Hersteller, die sprüh- und streichbare Luftdich­tungen entwickelt haben, was gerade bei ­verwinkelten Anschlussdetails ideal ist. Wie kommen diese im Schweizer Markt an?

Obwohl die Produkte schon länger angeboten werden, sind diese noch nicht allen Verarbeitern bekannt. Sie haben ihre Vorteile, aber der Markt braucht anscheinend noch ein bisschen Zeit.

»Wann in einer Bauphase ist der ideale Zeitpunkt, um mit Bauherrn, Architekten, Planern über das Thema «Luftdichtheit im Dachbereich» zu sprechen?

Eine Luftdichtheitsschicht muss von Anfang an geplant werden. Wenn an der Wärmedämmung etwas geändert wird, so muss auch die Luftdichtheit ertüchtigt oder zumindest überprüft werden. Auch bei einem reinen Fensterersatz muss die Luftdichtheit sichergestellt sein.

»Gibt es in der Schweiz eine unabhängige Kontrollstelle, welche Luftdichtheitstests zur Qualitätskontrolle durchführt (z. B. bei einer grossen Überbauung mit Gebäudemodernisierung)?

Kontrollen durch Fachexperten und/oder Bauherrenbegleiter (siehe Website fachexperten.ch) können einen grossen Mehrwert bringen. Blower-Door-Tests können ebenfalls als Prüfmittel eingesetzt werden.

»Wie werden die Gebäudehüllen-Spezialisten in Bezug auf die Praxis geschult, wenn es um das luftdichte Abdichten im Ausbau geht? Wird auf dieses Thema in der EFZ-Ausbildung eingegangen? Wo kann man sich dieses Wissen aneignen (zum Beispiel in einem Fachkurs bei ­Polybau)?

Natürlich bildet das Bildungszentrum Polybau theoretisch und praktisch in der Grund- und Weiterbildung das Thema Luftdichtheit aus. Jüngst wurden wir sogar von Elektrosuisse angefragt, ob wir das Thema Luftdichtheit auch für ihre Schulunterlagen aufarbeiten möchten.

»Was für Hilfsmittel stellt Gebäudehülle Schweiz den Unternehmen zur Verfügung, um sie optimal für dieses Thema zu unterstützen (Merkblätter, Richtlinien)?

Das Thema wird in verschiedenen Wegleitungen behandelt. Wegleitung zur Norm SIA 232/1 «Geneigte Dächer», Wegleitung zur Norm SIA 232/2 «Hinterlüftete Bekleidung von Aussenwänden», Wegleitung zur Norm SIA 271 «Abdichtungen von Hochbauten». Auch in verschiedenen Merkblättern ist es ein Thema, so im Merkblatt «Flachdächer in Holzbauweise».

»Was ich sonst noch sagen wollte …

Die Luftdichtheit ist auch immer wieder ein Thema an den Fachtagungen. Solche Veranstaltungen bieten immer einen guten Mehrwert, um sich weiterzubilden und Wissen zu festigen.

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